Die meisten Menschen haben es in ihrem Leben selbst schon einmal gehabt – ein rotes Auge. Aus welchem Grund auch immer, denn davon gibt es viele. Das möchte ich Ihnen in diesem Artikel gerne weiter erläutern.
Mein Anlass dafür ist etwas, das ich täglich mehrfach während der Akutsprechstunde erlebe. Da sitzen Menschen vor mir, die berichten, dass ein oder beide Augen seit vorgestern etwas gerötet seien. Gestern sei es dann mehr geworden. Außerdem brennen, jucken oder tränen sie etwas. Die Sicht sei dadurch leicht verschwommen. Dann würden sie blinzeln und es sei wieder ein bisschen besser. Können wir uns alle gut vorstellen, oder?
So kann zum Beispiel eine bakterielle Bindehautentzündung beginnen oder auch trockene Augen oder Heuschnupfen können sich so äußern. Oder man hat irgendwas ins Auge bekommen.
All diese Erkrankungen sind für einen Augenarzt leicht zu erkennen und gut zu behandeln. Manche davon können mit rezeptfreien Augentropfen aus der Apotheke behandelt werden, für andere braucht man ein Rezept vom Arzt. Und damit man weiß, was man überhaupt hat und was man dagegen tun kann, ist selbstverständlich eine Vorstellung beim Augenarzt sinnvoll. Keine Frage.
Was mich aber doch sehr wundert, ist der Satz, der häufig nach meiner Diagnose „Bindehautentzündung“ folgt: „Gut, ich dachte mir schon, dass es nichts Schlimmes ist, ich hatte ja auch fast keine Beschwerden, aber ich wollte trotzdem zu Ihnen kommen, weil es doch das Auge ist! Da wollte ich nichts verpassen, nicht dass ich blind werde oder so!“ Panik!
Ist es wirklich Angst? Denken die Menschen wirklich, dass sie blind werden können, wenn das Auge juckt? Denken sie dann auch, dass sie gelähmt werden könnten, wenn das Bein juckt oder taub, wenn das Ohr juckt? Können die Menschen wirklich so schlecht die Schwere von Symptomen einschätzen? Liegt das an mangelndem Wissen oder schlechtem Gefühl für den eigenen Körper?
Oder glauben die Menschen, dass sie sich rechtfertigen müssten, wenn sie mit einer eher leichten Erkrankung eine Akutsprechstunde aufsuchen? Aber genau dafür sind wir Ärzte in dieser speziell freigehaltenen Sprechstunde ja da! Um Ihnen mit Diagnose und passender Therapie bei akut aufgetretenen Symptomen zu helfen. Mich persönlich macht das sogar besonders zufrieden, weil ich hier schnell und einfach helfen kann.
Allerdings reagiere ich selbst wiederum allergisch auf Patientinnen und Patienten, die sich mit seit zwei Monaten andauernden Symptomen auch noch als Notfall betrachten und sofort, umfassend und ohne Wartezeit behandelt werden wollen. Oder auf solche, die keine wesentlichen Beschwerden haben, aber „zur Sicherheit“ doch nochmal nachschauen lassen wollen („weil es doch das Auge ist …“), weil sie morgen in den Urlaub fahren und da nicht zum Arzt gehen wollen. Weil sie Sorge haben, dass es in Italien keine gibt? Oder weil sie im Urlaub Schöneres zu tun haben?
Alles verständlich, aber verstehen sie bitte auch uns Ärzte, die in Akutsprechstunden von Sprechzimmer zu Sprechzimmer eilen, um alle „Notfälle“ zu behandeln! Bitte kommen Sie nur, wenn Sie auch wirklich akute Probleme haben. Und dann werde ich bestimmt ernst nehmen, dass Sie sich um Ihr Auge Sorgen machen.
Damit Sie in Zukunft ein „rotes Auge“ besser einschätzen können, stellen ich hier einmal die häufigsten damit verbundenen Erkrankungen kurz vor:
- Die akute bakterielle oder virale Bindehautentzündung
Ein oder beide Augen sind rot, jucken oder brennen und sind eventuell nach dem Aufwachen verklebt. Es gibt wässriges oder eitriges Sekret, dadurch sieht man vielleicht etwas verschwommen. Die Augenlider sind manchmal auch geschwollen.
Oft hat auch jemand in der näheren Umgebung dieselben Symptome, weil es ansteckend ist. Tränenersatzmittel lindern die Symptome, bei deutlich bakterieller Beteiligung sind auch antibiotische Augentropfen sinnvoll. Und versuchen, nicht selbst auch andere anzustecken, also Hände waschen, nicht ins Gesicht fassen etc.
- Die allergische Bindehautentzündung
Fast immer beidseits rote, juckende, glasige Augen, eventuell geschwollene Lider. Oft läuft auch die Nase. Tritt bei Pollenallergie in der typischen Jahreszeit auf.
Antiallergische Augentropfen (rezeptfrei) helfen schnell, gegebenenfalls kann man einen Allergietest beim Allergologen machen lassen.
- Trockenes Auge
Hier ist die Rötung oft geringer ausgeprägt, es steht mehr das Brennen oder ein Druckgefühl im Vordergrund. Kann beim Lesen, trockener Luft oder Klimaanlage schlimmer werden.
Frei verkäufliche Tränenersatzmittel, mehrmals täglich angewendet, helfen bei leichten Formen gut.
- Fremdkörper im Auge
Wenn Sie etwas ins Auge bekommen haben, immer sofort spülen, am besten mit Wasser, zur Not geht aber auch Limo. Wenn vorhanden Tränenersatzmittel eintropfen. Meist bekommt man den Fremdkörper so selbst wieder heraus. Wenn nicht, hilft der Augenarzt gerne dabei. Wichtig zu wissen: Das Gefühl etwas drin zu haben, kann noch etwas andauern, auch wenn der Fremdkörper schon raus ist.
- Sonderfall: Das Auge ist rot wie blutunterlaufen. Sie bemerken nichts, sehen es nur im Spiegel oder werden von anderen Menschen darauf angesprochen.
Das kann ein geplatztes Äderchen der Bindehaut sein. Sieht sehr eindrucksvoll aus, ist aber für das Auge (wenn kein Unfall dahinersteckt, sondern es „einfach so“ aufgetreten ist) völlig harmlos. Wie ein blauer Fleck wird es sich von selbst wieder auflösen.
Allerdings sollten eine gestörte Blutgerinnung und ein erhöhter Blutdruck als Ursache ausgeschlossen werden.
Wann immer zusätzlich andere Symptome wie starke Kopfschmerzen, deutliche Lichtempfindlichkeit, Einschränkung oder Schmerzen bei Augenbewegungen, deutliche Sehverschlechterung oder Übelkeit auftreten, sollten Sie auf jeden Fall zu einem Augenarzt gehen! Genauso auch bei allen Unsicherheiten, denn natürlich ersetzt dieser Artikel keine professionelle Diagnose.
Schönen Urlaub!